Evangelische Kantorei Aachen Süd-West mit Konzert in der Leipziger Thomaskirche

Chorausflug nach Leipzig - Konzertauftritte in der Thomaskirche und der Schlosskirche zu Wittenberg - Besuch der Bach-Gedenkstätte

Am langen Fronleichnams-Wochenende hat die Evangelische Kantorei Aachen Süd-West eine erlebnisreiche Konzertreise unternommen. Diesmal folgte sie einer Einladung der Thomaskirchengemeinde in Leipzig, die traditionelle Freitagabend-Vesper kirchenmusikalisch zu gestalten.

Nachdem das Gepäck von 59 Teilnehmerinnen und zwei Rollstühle sorgsam verstaut worden waren, verließ der Chor Aachen am frühen Morgen per Bus Richtung Eisenach. Der Besuch des fast sechshundert Jahre alten Fachwerkhauses am Frauenplan, seit 1906 als Bach-Gedenkstätte eingerichtet, gab Gelegenheit zu einer längeren Verschnaufpause.

 

Besuch der Bach-Gedenkstätte in Eisenach

Der Aufenthalt in Eisenach begann mit einem kleinen Konzert auf einer Auswahl von Tasteninstrumenten der Bachzeit aus Thüringen (Clavichord, Querspinett, Harras-Cembalo, barocke Hausorgeln) und lud zu einem Rundgang durch Deutschlands meistbesuchtes Musikermuseum ein. Dies hat sich zum Ziel gesetzt, "alles, was Johann Sebastian Bach und sein Lebenswerk angeht", zu sammeln, zu zeigen und zu bewahren. So wird mit Hilfe von Objekten und bildlichen Darstellungen über Bachs Werdegang als jüngstes Kind des Stadtpfeifers Ambrosius Bach bis hin zum späteren Familienleben Johann Sebastian Bachs Einblick gewährt. Im kürzlich hinzugefügten, preisgekrönten Neubau wird Bach mit seinem unglaublich reichhaltigen Lebenswerk als Musikerpersönlichkeit nach modernsten museumsdidaktischen Gesichtspunkten vorgestellt.

Emotionale Proben in Bachs Thomaskirche

Am nächsten Vormittag in Leipzig stand für die Kantorei zunächst eine ausführliche Probe in der Thomaskirche auf dem Programm. Gedanken und Emotionen beim Eintritt in die vielfach umgebaute Thomaskirche, also ins historische Zentrum protestantischer Kirchenmusik, werden hier nicht beschrieben, motivierten jedoch sicher schon während des Einsingens außerordentlich. Die Akustik unterstützte die Bemühungen der Kantorei nachhaltig. Die Thomaskirche war während der Probe für Besichtigungen geöffnet. Zahlreiche Touristen nahmen sich Zeit, hörten im Sitzen zu und vermittelten schon einen kleinen Eindruck davon, was am Abend zur Motetten-Vesper zu erwarten war.

Rundgang durch Leipzigs Innenstadt

Ein kurzer geführter Rundgang durch die bekannte Leipziger Innenstadt stellte einige Highlights vor (Mädlerpassage, Barthels Hof, Coffe Baum, Rathaus, Opernplatz mit Universität und Gewandhaus) und gab so erste Anregungen für die individuelle Gestaltung des nächsten Tages. Eine Stadtrundfahrt insbesondere durch den westlichen Ortsteil Plagwitz vermittelte interessante Einblicke in die Wiederaufbau-Bemühungen in einem ehemals modernen, später heruntergekommenen Industrieviertel, das nach dem Ende der DDR in ein attraktives Wohnviertel mit Ateliers, Werkstätten und Galerien verwandelt wurde.

Thomanerchor mit über 750-jähriger Geschichte

Der Thomanerchor wurde urkundlich erstmals 1254 als Chorknaben des Augustiner-Chorherrenstifts erwähnt. 1539 bekannte sich Leipzig zur Reformation; seitdem ist die Thomaskirche evangelische Gemeindekirche und seit 1721 durch Bachs Tätigkeit als Kantor, Musikdirektor und Leiter des Thomanerchors weltbekannt. Der heute 80 Jungen umfassende Chor ist in Sonntagsgottesdiensten, in vielen Konzerten und auf Konzertreisen sowie regelmäßig freitags und samstags mit Motetten und Kantaten in der Thomaskirche zu hören. Allerdings kann er aus Termingründen nicht jede Motetten-Vesper bestreiten, so dass auch auswärtige Chöre eine Chance haben.

 

Konzert in der Thomaskirche ein unvergessliches Erlebnis

Nachdem Prof. Böhme, der Thomasorganist, die Kantorei in einer der vier Turmsakristeien begrüßt hatte, begaben sich die SängerInnen zum Mendelssohn-Tor der Kirche. Pünktlich nach dem Glockenschlag der alten Gloriosa aus dem 15. Jahrhundert erhoben sich die Besucher der vollbesetzten Thomaskirche, Pfarrer Wolff begleitete die Kantorei durch das Mittelschiff der großen gotischen Hallenkirche bis in die Vierung vor dem Altar, von wo aus - ganz in der Nähe der Blumen geschmückten bronzenen Grabplatte, unter der Bachs Gebeine ruhen - der Chor sang. Die Freitagsvesper folgt einem festen Ablauf, der liturgische Anteile, Predigt, Gemeindegesang, Orgel, Vaterunser, Segen und natürlich eine Reihe von Chorsätzen und Motetten umfasst. Dieses Konzert im Rahmen der Vesper wird wohl allen ein unvergessliches Erlebnis bleiben.

Bachfenster in der Thomaskirche

 

Rundblick über Leipzig bei abendlicher Turmbesteigung

Der Küster bot an, den Chor bei einer abendlichen Turmbesteigung zu begleiten. Um den viele Stufen umfassenden Aufstieg gut bewältigen zu können, wurden entsprechende Pausen eingeschoben, um z.B. über die enormen Ausmaße des in einem steilen Winkel von 63 Grad aufragenden Daches zu informieren. Der Dachstuhl besteht aus kunstvollen Holzbalken-Verstrebungen und sieben Böden. Eine bis ins vorige Jahrhundert genutzte Türmerwohnung wurde ebenfalls passiert. Der Turm - asymmetrisch an das südliche Querschiff angebaut - ermöglicht von seiner Galerie aus einen sehr interessanten Rundblick über die Stadt.

Besuch in Aachens Partnerstadt Naumburg

Der dritte Reisetag konnte individuell gestaltet werden. So erkundete eine Gruppe des Chors die Messestadt Leipzig mit ihren Kirchen, Museen, historischen Gebäuden und Geschäften und besuchte die Samstagsmotette, um die Thomaner zu erleben. Eine weitere Gruppe stattete Aachens Partnerstadt Naumburg einen Besuch ab und traf dort gerade rechtzeitig zum Orgelkonzert "Punkt Zwölf" in der Stadtkirche St. Wenzel ein. Das als einzigartiges Beispiel einer Barockorgel in Europa bekannte Instrument wurde 1746 von Bach abgenommen und als vorzüglich bewertet. Selbstverständlich war Bach im Programm mit Fantasie und Fuge g-Moll und zwei Choralbearbeitungen aus der Orgelmesse vertreten. Weitere Höhepunkte des Aufenthalts bildeten eine geschichts- und gegenwartsbezogene Stadtführung, vor allem aber die Besichtigung der zwölf Stifterfiguren, besonders der berühmten Uta von Naumburg, die einen Glanzpunkt mittelalterlicher Kunst in Europa darstellen.

 

Konzert in der Wittenberger Schlosskirche bildet gelungenen Abschluss

Am letzten Tag sang die Kantorei auf der Rückreise in Luthers Schlosskirche zu Wittenberg im - wie immer - international besuchten Sonntagsgottesdienst. Da endlich Fördermittel geflossen waren, hatte die im Blick auf das Reformationsjubiläum 2017 lange geplante Restaurierung des Innenraums gerade begonnen, so dass der quasi auf einer Art Baustelle stattfindende Gottesdienst dringend einer Verschönerung durch Chorgesang bedurfte. So manches Chormitglied beschloss wohl, später die instandgesetzte Kirche mit der berühmten Thesentür noch einmal zu besuchen.

Die Schloßkirche in Wittenberg, an deren Tür Luther vor fast 500 Jahren seine Thesen schlug.

(Text: Margot Rickers)