Haben Sie schon einmal ein Gottesdienstsaal einer Herrnhuter Brüdergemeine besucht? Die Herrnhuter Brüdergemeine ist bis heute bekannt durch die Herausgabe der Losungen, inzwischen liegt schon die 295. Ausgabe für das Jahr 2025 vor. Ihre evangelische Lebensgestaltung unterscheidet sich von einer durchschnittlichen evangelischen Gemeinde. Der traditionelle Gottesdienstsaal ist ganz in weiß gehalten, auch die Kirchenbänke, der Abendmahlstisch oder die Kanzel. Verstirbt ein Gemeindemitglied, wird dieses in einem weißen Sarg beigesetzt, auch die Grabtafeln auf den eigenen Friedhöfen sind alle schlicht, gleich und in einem hellen Grau gehalten.
Das Weiß steht in unserer Tradition für Reinheit, Klarheit und Transparenz. Die Unendlichkeit, die Transzendenz, der ewige Frieden wird mit der Farbe weiß assoziiert. Früher war es üblich, dass die Taufbabys ein weißes Taufkleid trugen, noch heute kleiden viele Eltern ihre Taufkinder weiß. Auch die Kommunionskinder sind weiß gekleidet und bei einer kirchlichen Trauung tragen die meisten Frauen ein weißes Brautkleid. Das Weiß steht für Unschuld, für einen Neuanfang, für gottgeschenkte Würde und den Willen, das eigene Leben nach dem Guten auszurichten.
Wenn Sie sich an Ihre Kinderbibel oder an andere Darstellungen erinnern, trägt Jesus auf den Bildern fast immer ein weißes Gewand. Damit unterscheidet er sich von seinen Jüngerinnen und Jüngern. Das Weiß kennzeichnet Jesus als den Christus, den von Gott gesandten Erlöser und Befreier von Tod und Sünde. Daher steht das Weiß als liturgische Farbe auch für die Auferstehung und das ewige Leben, das Gott schenkt. Es ist von daher auch verständlich, dass die Farbe Weiß als liturgische Farbe im Kirchenjahr alle Christusfeste begleitet. Angefangen vom Christfest über Epiphanias, der Einsetzung des Abendmahls, der Feier der Auferstehung bis zur Himmelfahrt Christi. An allen diesen Festtagen schmücken weiße Paramente den Tisch des Herrn, die Kanzel oder die Farbe Weiß die Liturgen. Eine weiße Stola ist oft goldbestickt und glänzt als Abbild der Herrlichkeit Gottes, die sich uns in Christus zeigt. In der Alten Kirche wurden die erwachsenen Täuflinge in einem weißen Gewand gekleidet und dreimal in Wasser untergetaucht. Heute praktizieren noch Freikirchen nach diesem Vorbild ihre Taufen.
Noch vor der Jahrtausendwende habe ich bei einer Schneiderin einen weißen Talar in Auftrag gegeben. Sie hat ihn nach dem Vorbild des schwarzen preußischen Talars geschneidert mit einem Stehkragen. Diesen weißen Talar trage ich gern an Christusfesten, bei Taufen, Trauungen, Abendmahlsfeiern und besonderen Salbungsgottesdiensten. Zum weißen Talar kommen jeweils die liturgischen Farben als Stola hinzu. Der weiße Talar hat kein Bäffchen wie mein schwarzer Talar. Beide Talare sind meine Amtskleidung.
In unserer evangelischen Kirche kann die Pfarrerin oder der Pfarrer nicht einfach selbst entscheiden, ob sie oder er einen weißen Talar oder - wie es in der Verordnung über die Amtstracht heißt - eine weiße Mantelalbe (ohne Rollkragen und Kapuze) trägt. Sondern das Presbyterium muss dem per Beschluss zustimmen und auch die Gemeinde entsprechend vorbereitet werden.
Die weiße Mantelalbe oder der weiße Talar haben sich in der evangelischen Kirche nicht durchgesetzt, aber ich bin dankbar, dass ich ihn tragen darf. Für mich drückt der weiße Talar die Gnade und Herrlichkeit Gottes einfach besser aus als der schwarze Talar. Der schwarze Talar hingegen macht in der Ökumene, gerade in einer sehr katholisch geprägten Region, etwas her. Er schafft Eindeutigkeit. Mein schwarzer Talar ist auch pflegeleichter und im Sommer nicht so warm wie der feste Stoff des weißen. Ich liebe den weißen und trage den schwarzen gern, feiere aber auch Gottesdienste in anderer Form schon mal ganz ohne Talar.
Pfarrer Joachim Leberecht, Lydia-Gemeinde Herzogenrath
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