Bei leckerem Essen ins Gespräch kommen und Vorurteile abbauen

9. Friedensmahl der Religionen brachte im Alten Kurhaus ganz unterschiedliche „Öcher“ zusammen – Pfarrer Johnsen: „Mit Problemlösung im Kleinen anfangen“

Als sie mit Mutter und Schwester nach Deutschland gekommen sei, habe sie zuerst unter einem Kulturschock gestanden und gedacht, die Deutschen seien total verrückt, erzählt eine bosnische Kroatin lachend an einem der vielen Tische im Ballsaal des Alten Kurhauses. „Es war damals Februar, und wir haben erst später erfahren, dass in Deutschland gerade Karneval gefeiert wurde! Das kannten wir so nicht.“ An einem anderen Tisch berichtet eine Muslima von ihrer eigenen Erfahrung mit Religion: „Wenn ich früher eine Frau mit Kopftuch gesehen habe, habe ich auch gedacht ‚och herm!‘ Aber jetzt trage ich es selbst und weiß, dass es etwas Schönes ist.“ Interessiert fragt ein Tischnachbar nach: „Gibt es denn eigentlich Unterschiede zwischen den Muslimen, so wie zwischen den Christen?“

"Meine Nachbarn - Fremde oder Freunde?"

Beim Friedensmahl der Religionen kamen am Sonntag fast 100 Menschen miteinander ins Gespräch. In bunt gemischt ausgeloster Sitzordnung unterhielten sich Christen, Muslime, Baha’i, Aleviten, Hindus, Juden, Buddhisten, Quäker, Mormonen und Menschen ohne Religionszugehörigkeit über das Thema „Meine Nachbarn – Fremde oder Freunde?“ Zum neunten Mal hatte der Aachener „Dialog der Religionen“ die Veranstaltung organisiert. Die Schirmherrschaft hatte Oberbürgermeister Marcel Philipp inne, der zu Beginn auch ein Grußwort sprach. „In den Neujahrsansprachen ist dieser Tage viel von guten Wünschen und guten Vorsätzen für das neue Jahr zu hören“, sagte Philipp. „Es kommt aber darauf an, dies auch im Alltag umzusetzen. Wir müssen von einer ‚Empörungskultur‘ wieder zu einer ‚Diskussionskultur‘ kommen – und dazu trägt dieses Friedensmahl bei.“

Wie Religionen zum Wohl der Gesellschaft wirken können

Durch den Nachmittag führten als Moderationsteam Pfarrer Hans Christian Johnsen von der Evangelischen Kirchengemeinde Aachen und Shahab Ebrahimi von der Aachener Baha’i-Gemeinde. An jedem der vielen Tische leitete ein Tischmoderator die Gespräche und schlug Fragen zur Diskussion vor, zum Beispiel mit welchem Gefühl man auf fremde Menschen zugehe und in welchen Situationen man selbst schon die Erfahrung gemacht habe, dass aus Fremden Freunde wurden. „Unser Ziel ist es, dass die Leute direkt miteinander reden“, sagte Pfarrer Johnsen. „Ich habe den Eindruck, das klappt super und alle sind gut im Gespräch.“ Und Idris Malik vom Islamischen Zentrum Aachen an der Bilal-Moschee ergänzt: „Nachbarn leben oft nur nebeneinander her und kennen einander gar nicht. Das wollen wir überwinden. Wir wollen Vorurteile abbauen und als ‚Dialog der Religionen‘ auch zeigen, wie die Religionen miteinander zum Wohl unserer ganzen Gesellschaft wirken können.“

Friedliches Miteinander und sozialer Zusammenhalt

Unter den Gästen waren bei diesem Friedensmahl neben Oberbürgermeister Philipp auch die Bürgermeisterinnen Hilde Scheidt und Marianne Conradt, die stellvertretende Städteregionsrätin Elisabeth Paul, Dompropst Manfred von Holtum und der Aachener Polizeipräsident Dirk Weinspach. „Ich komme eigentlich jedes Jahr zum Friedensmahl der Religionen“, sagte Bürgermeisterin Hilde Scheidt. „Oft wird gesagt, dass Religionen an Konflikten Schuld sind, aber das sehe ich nicht so. Hier sieht man, dass Religionen auch Möglichkeiten eröffnen, in der Stadt ein friedliches Miteinander zu organisieren und Veranstaltungen anzubieten, die gut für die Stadt und den sozialen Zusammenhalt sind.“

Freundschaftliche und belastbare interreligiöse Beziehung

Über die Jahre sei aus den Treffen des „Dialogs der Religionen“, den zahlreichen Veranstaltungen und gemeinsamen Friedensmahlen in Aachen eine freundschaftliche und auch belastbare Beziehung entstanden, meint Pfarrer Hans Christian Johnsen. „Wir können auch unterschiedlicher Meinung sein, aber unsere Beziehung hält das aus. Und bei Problemen kommen wir gemeinsam gut und schnell zu Lösungen. Wir können natürlich nicht alle Probleme der Welt lösen, aber wir fangen hier im Kleinen schon mal damit an.“

(Text: C. Braun / Ev. Kirchenkreis Aachen)

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