02.05.2025

Lichtminuten als Ruhezeitfenster

Die besondere Atmosphäre der Vogelsangkirche wird genutzt - Kurze Gottesdienstformate für alle Sinne - Nächstes Taizé-Gebet am Donnerstag, 12. Juni, in Brand

Viele Kerzen zündet Pfarrer Max Heller für die Lichtminuten in der Vogelsangkirche an. Ihr Licht erzeugt eine besondere Stimmung.
Viele Kerzen zündet Pfarrer Max Heller für die Lichtminuten in der Vogelsangkirche an. Ihr Licht erzeugt eine besondere Stimmung. Foto: Rauke Bornefeld

Als Max Heller im vergangenen Jahr seine neue Pfarrstelle in der evangelischen Gemeinde Stolberg an- und das erste Mal die Vogelsangkirche im Schatten der Stolberger Burg betrat, war ihm gleich klar: „Dies ist so ein schöner Raum, den muss man beleben.“ Die älteste evangelische Kirche im Kirchenkreis Aachen ist bei Brautpaaren und Eltern von Täuflingen sehr beliebt, reguläre Sonntagsgottesdienste gibt es aber nicht mehr. Doch seit Dezember 2024 erleuchten in regelmäßigen Abständen nun Kerzen den Kirchraum von 1648, und Pfarrer Heller lädt zu den „Lichtminuten“ ein. 

Heller ist im katholischen Glauben sozialisiert worden, ging auf eine Klosterschule der Benediktiner, war Messdiener. Und bei aller bewusster Entscheidung, später zu den Protestanten zu wechseln und diesen Glauben als Pfarrer zu vertreten und zu vermitteln, „bekomme ich die liturgischen Wurzeln nicht aus mir heraus“, sagt der Mann aus Unterfranken. „In den Gottesdienst komme ich als ganzer Mensch. Deshalb will ich auch nicht nur über den Verstand angesprochen werden.“ Die Lichtminuten und auch die von ihm eingeführten Taizé-Gebete in der Martin-Luther-Kirche in Aachen-Brand  – beide Formate wechseln sich monatsweise ab – sind deshalb etwas für alle Sinne. 

Da ist das Kerzenlicht, das die Kirche nicht nur vom Altar, sondern auch von Kanzel und Wand in ein besonderes Licht taucht. Da ist keine Predigt, sondern nur ein Gedanken-Impuls auf Grundlage eines Bibelwortes oder eines aktuellen Geschehens. Da ist Weihrauch – „ja, das geht auch in der evangelischen Kirche“, so Heller lachend – der die Gedanken und Sorgen, die die Besucher nach einem vollen Alltag mit in die Kirche bringen, in Rauch aufgehen lassen kann, wenn die, die möchten, ein Körnchen davon auf ein Stück glühende Kohle fallen lassen. Da ist eine Zeit der Stille, in der die Besucher sich selbst nachspüren können. 

Stille ist heilsam für die Seele

„Gerade die Stille braucht sicher Übung. Aber die Rückmeldungen, die ich bekomme, sagen, dass das alles sehr heilsam für die Seele sei. Da könne sich vieles setzen“, berichtet Heller. „Es sind Ruhezeitfenster, in einer Zeit, die gerade so viel Schwere für viele Menschen hat. Dort können sie abladen und teilen. Ich möchte Weite in ihr Herz bringen.“

Was es bei den Lichtminuten nicht gibt: liturgische Regeln, die man kennen muss; kein auswendig gesprochenes Glaubensbekenntnis; keine festgelegten Stellen zum Hinstellen oder wieder Setzen; keine ritualisierten Antwortgesänge der Gemeinde. Nichts, was weniger geübte Kirchgänger abschrecken könnte. „Bei beiden Formaten – Taizé-Gebet und Lichtminuten – kann man einfach da sein vor Gott. Komm, wie Du bist“, möchte Heller aus der abendlichen Gemeinde eine Gemeinschaft für alle machen. 

Gründonnerstag besonders nah am Leben der Menschen

Begonnen im Advent, zogen die Lichtminuten am Gründonnerstag vor Ostern die meisten Gottesdienstbesucher bisher an. „Die Liedblätter waren schon zehn Minuten vor Beginn alle verteilt, nur noch auf der Empore waren zum Schluss Plätze frei. Es war schön, die wunderbare Vogelsangkirche endlich wieder so voll zu sehen, auch wenn die Zeit der Stille weniger still war als sonst“, meint Heller. Er ahnt, was die Menschen angezogen hat: „Ich finde, Gründonnerstag ist der christliche Feiertag, der besonders nah am Leben der Menschen ist. Da ist Jesus durch und durch Mensch: Erst erlebt er die Gemeinschaft am Tisch und dann die totale Verlassenheit. Solche Gartenmomente kennt jeder von uns.“

Besonders die einfache Art des Abendmahls, die Heller gewählt hatte – wie Jesus selbst hat er Fladenbrot herumgereicht, von dem sich jeder etwas abreißen konnte –, sei als intensives Zeichen der Gemeinschaft wahrgenommen worden, kann Heller aus Rückmeldungen nach dem Gottesdienst berichten. Neben Kirchenfernen hatten sich auch viele Katholiken aus Stolberg von den Lichtminuten angesprochen gefühlt, „dabei war es kein explizit ökumenischer Gottesdienst“, so Heller. „Aber es war schön, dass wir dort zusammen Christen sein konnten.“  

Im Sommer, genau am 21. August, zieht Heller mit den Lichtminuten unter den freien Himmel ans Lagerfeuer. „Dann an der Finkenbergkirche, weil wir hier kein Feuer machen können.“ An den Terminen im Herbst (30. Oktober), im Advent (18. Dezember) und am 12. Februar taucht er dann wieder die Vogelsangkirche in Kerzenlicht. 
Die Taizé-Gebete in der Martin-Luther-Kirche in Aachen-Brand sind am 12. Juni, 18. September, am 4. Dezember und am 26. Februar. Beginn beider Formate ist immer donnerstags um 19 Uhr. 

Text: Rauke Xenia Bornefeld

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