20.04.2021

Eva - Die Mutter aller, die da leben

Marc Chagall: Vertreibung aus dem Paradies durch den Erzengel


Vorbemerkung

Eine besonders reizvolle und zugleich hintergründig-existenzielle Erzählung in der Heiligen Schrift ist die vom sogenannten „Sündenfall“ im dritten Kapitel des ersten Buches Mose („Genesis“). Sie gehört zur „Urgeschichte“, also den Erzählungen, die im echten Sinn Ursprüngliches über den Menschen, sein Wesen und sein Verhältnis zu Gott, seinem Schöpfer, zu sagen haben. Sie fügt sich an die Erzählung des zweiten Kapitels. Das handelt von der Erschaffung des Gartens Eden und seiner Bewohner, also des Menschenpaares und der Tiere.

Bitte nehmen Sie sich nun eine Bibel und lesen zur Erinnerung Genesis 3.

Die Natur als Schlange und Baum

Die Schlange ist ein besonders listiges Tier mit ganz besonderen Neigungen. Auch sie ist ein Geschöpf Gottes, Teil der Natur.

Ganz „naturgemäß“ redet sie mit der Frau, weckt Lust und Zweifel durch kleine Verdrehungen, ja Lügen: Gott hat euch angelogen; ihr werdet nicht sterben, sondern kluge Unterscheidungsfähigkeit gewinnen, Erkenntnis von Gut und Böse. So verführt das schlaue Tier zum lustvollen Ungehorsam. Der ist noch schöner in der Gemeinschaft: „Guck mal, Schatz, wie schön und wie lecker!“

Das Menschenpaar

Die Natur als verführerische Schlange und verlockender Baum wirkt zunächst nur auf und durch die Frau. Wieso eigentlich?

Wir erinnern uns: Gott ist im zweiten Kapitel der Genesis dargestellt als Schöpfer und Bastler: Sein erstes Werk ist der Mensch, gemacht aus „Staub von der Erde“. Dann schafft Gott die Tiere aus demselben Material, und als letztes Werk schließlich die Frau aus einer Rippe des Menschen.

Also: Der Künstler schafft als sein erstes Werk aus Staub den Menschen, als letztes, geübt durch viele andere Schöpfungswerke, die Frau aus weitaus edlerem Material, einem Teil des schon Geschaffenen. Sollte man nicht denken, das letzte Schöpfungswerk sei auch das gelungenste?

Jedenfalls ist es das kreativste: Es hört auf die Verführerstimme der Natur, macht sich frei von der Subordination, über die der Partner nicht hinauskommt, und bringt dadurch das in die Welt, was hinfort „Sünde“ genannt wird. Die Frau begründet so die Existenz des Menschen in seiner Beziehung zu Gott neu – und sehr viel schwieriger.

Gott als der Richter

Gott geht noch ganz menschennah im Garten spazieren, sucht und entdeckt Adam und die anderen Sünder. Mann und Frau versuchen sich hilflos durch Verweis auf Verführung durch andere zu entschuldigen – vergeblich.

Gott richtet über sie, aber gnädig: Er verfügt Einschränkungen, aber doch nicht die ursprünglich angedrohte endgültige, nicht den sofortigen Tod. In umgekehrter Reihenfolge zieht er zur Verantwortung:

  • Die Schlange bannt er an die Erde und stiftet Feindschaft zwischen ihr und der von ihr verführten Menschheit.
  • Der Frau verfügt er Schmerzen bei ihrer wichtigsten und eigentlich schönsten Aufgabe, dem Hervorbringen von Nachkommen, und liefert sie dem Mann aus durch Verlangen und Unterordnung.
  • Dem Mann teilt er Mühe beim lebensnotwendigen Ackerbau zu und (zusammen mit der Frau) den Tod, also die Umkehrung der Erschaffung, den Wandel vom Leib zum Staub.

Aber: Das Leben, das gottgeschaffene, ist gesichert, wenn auch eingeschränkt und begrenzt. Adam, der Mensch, gibt seiner Gefährtin den Ehrennamen Eva, Mutter der Lebendigen.

Gott beendet seine Maßnahmen zweifach: Zum einen hilft er gegen die neu erfahrene Scham und gibt den Nackten Kleidung. Zum anderen verweist er – auch um den Tod unabänderlich zu machen – das Menschenpaar aus dem Garten in die Welt, damit es die Erde bebaue wie bis-her den Garten.

Zwei Gewissheiten bleiben neben den verfügten Beschwernisen: das Leben für die Erde und die Endgültigkeit des Todes.

Ausblick

Zwei Erkenntnisse gewinnen wir aus diesem Kapitel der Heiligen Schrift:

  1. Wir werden gewahr im Blick auf Eva, „die Mutter aller, die da leben“:
    Die Frau, dargestellt als letztes Schöpfungswerk und jüngstes Kind Gottes, ist als Gefährtin des Mannes an Würde ihm mindestens gleichgestellt und Garantin menschlichen Lebens und menschlicher Gemeinschaft.
  2. Wir erfahren durch die Frohbotschaft des Neuen Testaments:
    Die von Gott mit den Menschen begonnene Geschichte findet ihre Vollendung in Jesus Christus, das heißt: Die Strafen für die Sünde, also die Beschwernisse für den Ernährer, die Unterordnung der Ehefrau und ihre Beschwerden bei der Geburt sowie die Leiden der Schöpfung, diese Merkmale einer unerlösten Welt, werden ihr Ende finden in der Zukunft Jesu Christi.
    Dies Evangelium ist Maßstab, Aufgabe und Hoffnung der christlichen Gemeinde.

Hans-Jürgen Sünner

(Auszug aus Gemeindebrief Nr. 215, 5-6/2021)

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