22.08.2022

„Die Vollversammlungen strahlen erst mit Abstand“

Volker Böhm, Gemeindepfarrer im Monschauer Land und Mitglied im Aachener Partnerschaftsausschuss, über das Karlsruher ÖRK-Treffen aus Gemeindesicht, den Wert internationaler Ökumene und den Willen, Differenzen zu überwinden

Herr Böhm, wie sehen Sie als Gemeinde der ÖRK-Vollversammlung in Karlsruhe entgegen?
Volker Böhm:
Für die Gemeinden ist es immer hilfreich, deutlich gemacht zu bekommen, dass Kirche mehr ist als das, was vor Ort stattfindet. Es weitet den Horizont zu sehen, welche Themen die Kirche weltweit interessieren und dort im Fokus stehen. Und das Thema 2022 „Die Liebe Christi bewegt, versöhnt und eint die Welt“ ist ja aktueller denn je. Ich hoffe, dass es aus Karlsruhe Impulse für die Gemeindearbeit gibt: indem man merkt, dass man mit seiner Problemstellung vor Ort nicht alleine ist, und vielleicht auch Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt bekommt, zum Beispiel in Migrationsfragen. Was heißt das für uns in der Gemeinde, die wir uns mit unseren eigenen christlichen Traditionen zum Teil schwertun, uns für andere christliche Prägungen zu öffnen?

 

Spielt die Vollversammlung in Ihrem Gemeindealltag eine Rolle?
Böhm:
Direkt nicht, aber indirekt schon über die Partnerschaftsarbeit im Kirchenkreis. Der Kirchenkreis Aachen pflegt ja eine trilaterale Partnerschaft mit den Kirchenkreisen Humbang-Habinsaran auf Sumatra in Indonesien und Kaskazini A in Tansania.

Wie können sich Gemeinden aus Ihrer Sicht auf die Vollversammlung vorbereiten?
Böhm:
Wahrnehmung entsteht erst einmal durch Information: im Gemeindebrief, im Newsletter oder durch das Materialheft „welt.bewegt“ (www.ekir.de/welt-bewegt). ÖRK-Vollversammlungen sind selten und in Deutschland auf lange Zeit einmalig. Damit ist es auch eine einmalige Chance für die deutsche Kirche, sich zu präsentieren. Und wir sind als Gemeinde Teil dieser Kirche. Das Mindeste sind die Begleitung durch Fürbitten und eine Weitergabe der Themen während der Versammlung im September. Vieles ist hängt da sicher auch von den jeweiligen Kirchenkreisen und der Landeskirche ab. Entscheidend ist, Interesse dafür zu wecken, dass die Kirche der erste echte Global Player war und immer noch ist. Wir prokeln viel zu sehr vor uns hin, aber es gibt auch wachsende Kirchen und in der weltweiten Gemeinschaft unheimlich viele Themen, die uns verbinden. Und eines davon ist sicher Versöhnung und Einigkeit.

 

Krisen und schwindende Ressourcen haben eher einen Blick nach innen gefördert. Geht der kirchliche Blick über den Tellerrand verloren?
Böhm:
Wenn wir es als Gemeinden oder Einzelpersonen schaffen, Themen zu platzieren, die interessant ist, dann geht der Blick auch heute raus in die Welt. Aber er richtet sich natürlich wieder verstärkt auf das Eigene, wenn die Probleme vor Ort zu übermächtig werden. Gerade an diesen Punkten ist es wichtig, durch Versammlungen wie in Karlsruhe einen geistlichen Impuls zu erhalten, um nicht nur in den Strukturdebatten zu verharren. Und diese Wechselwirkungen sind relativ zeitlos.

 

Was ist aus Ihrer Sicht der Wert der internationalen Ökumene?
Böhm:
Neben der Horizonterweiterung liegt der Mehrwert auch darin, im Spiegel der anderen die eigenen Probleme noch einmal aus neuen Blickwinkeln zu betrachten. Gerade wenn es um finanzielle Ressourcen geht, können wir unheimlich viel von den Südkirchen lernen.

 

Aber aus der Partnerschaftsarbeit wissen Sie auch: Ökumene ist selten konfliktfrei. Kann man trotzdem von ihr lernen?
Böhm:
Wenn wir in die Geschichte gucken, ist die Entwicklung zumindest aus meiner Sicht durchaus positiv. Wir kommen zu Gemeinschaften mit Kirchen, mit denen das vor hundert Jahren kaum vorstellbar war. Vieles geht, wenn man es will. Das kann man auch auf lokaler Ebene daraus lernen. Wie bekomme ich es hin, einen Dialog zu führen, ohne den oder die andere komplett zu verprellen? Und wie formuliere ich Übereinkünfte, in denen sich jede und jeder wiederfinden kann? Zwischen den Kirchen des Nordens und des Südens geht es dabei vielleicht um die Frage der Homosexualität, in unseren Gemeinden derzeit eher um Corona: Den einen ist alles viel zu locker, den anderen viel zu streng. Die ökumenische Erfahrung zeigt, dass man auch bei sehr unterschiedlichen Positionen zumindest im Gespräch bleiben kann.

 

Ihre Hoffnung mit Blick auf die ÖRK-Vollversammlung?
Böhm:
Keine unmittelbare. Die Vollversammlungen strahlen erst mit Abstand, wenn wirklich klar ist, was sich aus dem jeweiligen Motto entwickelt hat. Der konziliare Prozess zum Beispiel, der bei der Vollversammlung 1983 in Vancouver seinen Anfang nahm, hat ja nun wirklich etwas ausgetragen. Der Dreiklang „Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung“ taucht bis heute immer wieder in den Gemeinden auf.                                                                    

 

  (Interview: Ekkehard Rüger; erschienen in: EKiR.info - Magazin für Presbyterinnen und Presbyter, Ausgabe Nr. 4, August 2022;

www.ekir.info )

 

Mehr zur ÖRK-Vollversammlung vom 31. August bis 8. September in Karlsruhe: https://www.karlsruhe2022.de/

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