12.10.2021

Ausgesandt zum Hinschauen, Mittragen und Nicht-Ausweichen

Acht ehrenamtliche Notfallseelsorgerinnen und Notfallseelsorger erhielten ihre Beauftragung

Eckhard Weimer las aus dem Evangelium die Geschichte, wie Jesus den Sturm auf dem See beruhigt und sprach ein Gebet. Er wurde offiziell in seine Aufgabe als evangelischer Koordinator der Notfallseelsorge eingeführt.
Eckhard Weimer las aus dem Evangelium die Geschichte, wie Jesus den Sturm auf dem See beruhigt und sprach ein Gebet. Er wurde offiziell in seine Aufgabe als evangelischer Koordinator der Notfallseelsorge eingeführt. (Foto: Kathrin Albrecht)

In einem ökumenischen Gottesdienst in der Aachener Citykirche erhielten acht neue ehrenamtliche Notfallseelsorgerinnen und -seelsorger ihre Beauftragung zum Dienst in der Notfallseelsorge der Regionen Aachen-Stadt und Aachen-Land. Gleichzeitig erhielt auch Diakon Eckhard Weimer offiziell seine Berufung zum Evangelischen Leiter der Notfallseelsorge.
Uli Greber, Tom Lynen, Therese Mauer, Imma von Bötticher, Lea Schütz, Stephanie Ritzerfeld-Stelze und Emilia Brinkmeyer haben erfolgreich ihre Ausbildung zu ehrenamtlichen Notfallseelsorgern abgeschlossen und verstärken nun das über 50-köpfige Team. „Schön, dass ihr hier seid“, begrüßte Rita Nagel, Katholische Leiterin der Notfallseelsorge, die Neuen im Team. Sie erinnerte die Anwesenden an die Zeit der Ausbildung mit dem Vortrag eines Gedichts des katholischen Pfarrers Wilhelm Bruners, “Unsere Arme bauen eine Brücke“. Bruners’ Gedichte waren in der Zeit der Ausbildung immer wieder wichtige Impulse, sagte sie. Zum Kurs gehörte auch Eckhard Weimer, der im März seine Aufgabe als Evangelischer Leiter der Notfallseelsorge neben Rita Nagel aufgenommen hat. Aus dem Markusevangelium zitierte er, wie Jesus den Sturm auf dem See Genezareth beruhigt  (Mk 4,35-41).

Auch die Erfahrung, dass der Glaube hin und wieder einbricht, ist wichtig

Wie sehr dieses Beispiel mit der Aufgabe der Notfallseelsorgerinnen und -seelsorger verknüpft ist, legte Superintendent Hans-Peter Bruckhoff in seiner anschließenden Predigt dar. „Jesus schickt seine Leute raus in der Not!“, unterstrich er. Zwar arbeiten Notfallseelsorger als Team, jedoch werde jede und jeder einmal das Gefühl erleben, allein unterwegs zu sein, nicht die einhundertprozentige Geborgenheit zu spüren. Es sei gut, dass der Evangelist diese Wahrheit nicht verschweige. Die Arbeit der Notfallseelsorge hat Bruckhoff im Sommer noch einmal aus einer anderen Perspektive kennengelernt. Er berichtete von den Ereignissen der Flutnacht in der Region, die auch seinen Wohnort Gemünd getroffen hat. Notfallseelsorger lassen sich ein Stück weit hineinziehen in die Not und Sorgen der Menschen. Sie seien ausgesandt zum Hinschauen, zum Hören, zum Mittragen und Nicht-Ausweichen. Die Erfahrung, dass der Glaube an seine Grenzen gerate, hin und wieder einbreche, gehöre zum christlichen Glauben dazu, sagte der Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Aachen. Dazu gehöre aber ebenso die Erfahrung: „Ich komme da durch!“ Nach dem Sturm gebe es Momente der Stille.
Das Wort aus dem Buch Genesis, „Du sollst ein Segen sein“ (Gen, 12,2) ist der Leitgedanke der Notfallseelsorge in der Städteregion. Viele der neuen Notfallseelsorgerinnen und -seelsorger waren dies bereits vor Beendigung der einjährigen Ausbildung, als sie im Sommer in den von der Flut betroffenen Gebieten zum Einsatz kamen, sagte Rita Nagel. Gemeinsam mit Superintendent Bruckhoff, Eckhard Weimer, der zuvor seine Beauftragung für die Aufgabe als Koordinator der Notfallseelsorge empfangen hatte, und dem katholischen Pfarrer Hannokarl Weishaupt überreichte sie die Beauftragungen an die neuen Kolleginnen und Kollegen. Üblich ist es auch, dass die „alten Hasen“ den neuen Teammitgliedern die Jacken der Notfallseelsorge übergeben. Mit persönlichen Segenswünschen nahmen die neuen Kolleginnen und Kollegen ihre Jacken entgegen. Dank für die im Sommer geleistete Unterstützung sprachen auch Simon Schröder von der Leitstelle der Städteregion Aachen und Pfarrer Olaf Schaper, Notfallseelsorger in Düsseldorf und Supervisor der Notfallseelsorge Aachen, den neuen Seelsorgerinnen und Seelsorgern aus. Schaper überreichte Eckhard Weimer ein Holzkreuz, das jetzt die Kolleg*innen bei ihren Einsätzen begleiten soll.

Großen Respekt vor der Aufgabe

Auch Eckhard Weimer erhielt auf diesem Wege seine Jacke. Zur Vorbereitung auf seine Aufgabe hatte er den Ausbildungskurs der Notfallseelsorge mit absolviert. Durch die Ausbildung habe er, der bereits über eine langjährige Erfahrung in der Begleitung von Menschen verfügt, ein besseres Gefühl für die Notfallseelsorge bekommen. Auch einige Einsätze hat er absolviert, gemeinsam mit einem erfahreneren Mentor. „Ich sehe diese Aufgabe mit großem Respekt“, sagte Weimer. Auch im Sommer war er im Einsatz; anderthalb Wochen hat er in Stolberg-Vicht mit Menschen gesprochen, die durch die Flut betroffen waren. „Es war eine Zeit, die mich sehr berührt hat.“ Die Praxiseinsätze werden in Zukunft wohl eher weniger werden, meint er. „Ich bin der, der Pläne macht, sich um die Ausbildung kümmert, Ansprechpartner bei Rückfragen ist“, umreißt Weimer sein Aufgabenfeld, das er von seiner Vorgängerin, Pfarrerin Sabine Reinhold, übernommen hat. Beeindruckt ist Eckhard Weimer auch von seinen Kolleginnen und Kollegen in der Ausbildung: „Es sind ganz unterschiedliche Menschen, die diese Aufgabe zusätzlich zu ihrem Vollzeitjob übernehmen. Das gibt einem ein Stück Hoffnung. “ 

Seit 22 Jahren in der Städteregion aktiv

Vor 22 Jahren begann die Arbeit der Notfallseelsorge in der Städteregion Aachen. Alles fing an mit einer Frage: „Was tut die Region für Menschen in der Krise?“ Gestellt hatte sie der evangelische Pfarrer Frank Ertel, der auch die erste Gruppe Notfallseelsorger*innen in der Städteregion mit ausbildete. Die Notfallseelsorge Aachen wird vom Evangelischen Kirchenkreis und dem Bistum Aachen getragen. Rund 50 ehrenamtliche und hauptamtliche Notfallseelsorgerinnen arbeiten aktuell zusammen und machen Betroffenen, Angehörigen, Augenzeugen und Einsatzkräften bei Unfällen, Naturkatastrophen und Unglücksfällen ein Angebot der seelischen Ersten Hilfe. Die Notfallseelsorge wird alarmiert über die Leitstelle der Städteregion Aachen und arbeitet mit der Telefonseelsorge zusammen. „Ich bin froh, wie sich das etabliert hat“, blickt Frank Ertel auf die Jahre zurück. „Im Konzert aller Einsatzkräfte ist die Notfallseelsorge inzwischen eine Selbstverständlichkeit. Man hat erkannt, auch die Seele braucht Hilfe.“
Besonders intensiv waren die Wochen nach der Hochwassernacht vom 14. auf den 15. Juli in der Region. Insgesamt 30 Tage mit 2500 Stunden waren 117 Teams der Notfallseelsorge in dieser Zeit im Einsatz. Da sein sei dabei das wichtigste, was die Seelsorgerinnen und Seelsorger vor Ort den Menschen geben können, das Ereignis nicht wegreden, wissen, wann sie besser nichts sagen, erläutert Rita Nagel die Eigenschaften, die eine Notfallseelsorgerin oder ein Notfallseelsorger in solchen menschlichen Extremsituationen mitbringen müssen. Auch die Offenheit, sich auf ungewohnte Situationen einzulassen, sei notwendig, sagt Rita Nagel: „Wenn der Melder geht und ich muss los, weiß ich vorher nicht, was mich erwartet.“ Alle zwei Jahre bietet die Notfallseelsorge eine Ausbildung für ehrenamtliche Notfallseelsorger*innen an.

Weitere Informationen gibt es unter https://www.kirchenkreis-aachen.de/startseite/seelsorge/notfallseelsorge/

(Text: Kathrin Albrecht)

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